Adolf Frankl – der Maler der Gräuel des Krieges – liebte Bratislava

Geschichte
2. April 2019

Die Ventúrska Straße bietet den Liebhabern historischer Denkmäler Vielerlei. Als eine der ältesten Straßen der Stadt strahlt sie Historie aus und ist durch architektonische Schmuckstücke geprägt. In den dortigen Palaces wirkten und gaben Konzerte weltberühmte Musiker. Da steht auch das mittelalterliche Haus, welches zur Universität (Academie) Istropolitana gehörte. Diese Straße war auch lange Jahre die Redaktionsadresse der Pressburger Zeitung und berühmt wurde sie auch durch das Antiquariat Steiner.

In der Flut von imposanten Gebäuden bemerkt der Fußgänger nur selten das ziemlich unauffällige Haus Nr. 16, auch trotz dessen, dass an der Fassade sogar zwei Gedenktafeln befestigt sind. Die ältere von ihnen, wohl die älteste in Bratislava, informiert auf Latein, dass „beim Großbrand, der 1590 im Kloster der heiligen Klara am 17. Juni ausgebrochen war, dieses Haus, zusammen mit dem Großteil der Stadt, abbrannte. 1592 hat es Chr. Chäter eneuert“. Als Rarität kann der Fehler des Steinhauers bezeichnet werden, der das Jahr 1590 in römischen Zahlen als MDLXC in die Steintafel gehauen hatte, wobei das L (50) nicht dazu gehört… Die andere Gedenktafel ist viel jünger, am 29. März wird sie das 5. Jubiläum ihrer Enthüllung feiern. Kurzgefasst erzählt sie die bewegte Geschichte unseres gebürtigen Pressburgers Adolf Frankl (1903-1983), der gerade aus diesem Haus im Jahre 1944 ins Konzentrationslager nach Ausschwitz verschleppt wurde, damit er es überlebt und damit er später den legendären Gemäldezyklus Visionen aus dem Inferno erschaffen kann.

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Ventúrska Straße Nr. 16, von wo Adolf Frankl 1944 verschleppt wurde. 

Auf der Tafel steht das Datum der ursprünglich geplanten Enthüllung (Oktober 2011), doch die nette Feier hat letztendlich erst einige Monate später stattgefunden. Ich kann mich gut erinnern, unter den anwesenden Gästen habe ich damals zum Beispiel auch einen anderen gebürtigen Pressburger, den Philatelist Maxi Stern gesehen, über dessen Leben wir in früheren Ausgaben informiert haben. Ich war bei der Enthüllung dabei, weil ich in mir die Erinnerung an Adolf Frankl wachrufen wollte, die Erinnerung an eine Person, die mir vor allem wegen seiner innigen Beziehung zu unserer Geburtsstadt, unserem Bratislava, ans Herz gewachsen ist.

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An der Fassade des Hauses befindet sich auch eine Gedenktafel in englischer Sprache.  

Frankl hielt nämlich Bratislava für seine geliebte Stadt, trotz dessen, dass er sie zweimal unfreiwillig verlassen musste. Während der Ansprachen überlegte ich also und bemühte mich, mir vorzustellen, wie es wohl damals, in dem Jahr 1944, ausgesehen hatte, als Adolf Frankl samt ganzer Familie, mit Gewalt aus seinem Geburtsort herausgerissen und ins Todeslager verschleppt wurde. An dieser Stelle ist zu bemerken, dass dieses Haus in der Vetúrska Straße nicht sein Geburtshaus war. Das Licht der Welt erblickte er im Jahre 1903 in der Klariská Straße 7 und erst nach einigen Wohnungswechseln landete er mit Familie im ersten Stock des Hauses in der Ventúrska 16. Und hier, am 29. September, wurde die Stille der Nacht durch starkes Gehämmer und Läuten an der Tür unterbrochen. Verschlafen stand Adolf Frankl auf, fragte wer so stark klopfe, und öffnete ein wenig die Tür. Die Tür flog auf und Soldaten der Hlinka-Garde stürzten hinein.

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Michaelerstraße, Adolf Frankl, Zyklus Visionen aus dem Inferno 

Das Weinen der Kinder, das inständige Bitten der Mutter sie in Ruhe zu lassen, die kleine Tochter hat sogar auf Knien um Gnade gebeten – nichts hat geholfen. Die Gardisten haben sie Mitten in der Nacht gnadenlos in das Gestapohaus in der Podjavorinská Straße Nr. 6 eskortiert. Und zwar trotz dessen, dass auf der Klingel an der Tür als Religion “römischkatholisch“ geschrieben stand. Der Hausmeister hat sie gemeldet. Aus der Podjavorinská Straße wurden sie am nächsten Tag auf die Eisenbahnstation Mlynské nivy, und von dort in Viehwagons ins Sammellager in Sereď und weiter in das Konzentrationslager in Ausschwitz deportiert. Diese Fahrt machte jedoch Adolf Frankl bereits alleine, weil seine Frau, um sich und die Kinder zu schützen, einen falschen Reisepass benutzte.

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Das Haus in der Podjavorinská 6, während des zweiten Weltkrieges das sog. Gestapohaus.  

Das Ziel ist es nicht, das Leid, welches Adolf Frankl in Ausschwitz erlebte, zu beschreiben. Wichtig ist, dass er überlebte und nach Kriegsende nach Bratislava zurückkehrte, wo er seine Frau und auch die Kinder gefunden hat. Bald musste er jedoch wieder gehen. Im Jahre 1949, nach der Machtübernahme durch die Kommunisten, zog die Familie nach Wien. Die Rückkehr in seine Geburtsstadt – Bratislava – hat ihm der eiserne Vorhang nie mehr ermöglicht, die Beziehung zu dieser Stadt hat er jedoch nie verloren. Bis zu seinem Tode nannte er sie „die geliebte Stadt“ und während des Jahres kam er mehrmals an die österreichisch-slowakische Grenze, um ihre Silhouette zu sehen. Bei diesem Anblick war er immer tief gerührt.

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Adolf Frankl beim Bildermalen.  

Wie sich der Sohn Thomas Frankl erinnert, war sein Vater nie mehr, wie vorher. Beim Spaziergehen hat er sich immer wieder umgeschaut, ob er nicht verfolgt wird, er hatte panische Angst vor uniformierten Personen (auch Briefträger, oder einfache Beamte machten ihm Angst) und beim Ertönen der Klingel zuckte er immer zusammen. Für alle Fälle pflegte er in seiner Manteltasche ein Stückchen Brot und ein Radieschen zu tragen. Er versuche, sich damit, was ihm passiert ist, abzufinden, deswegen hat er angefangen zu malen. Er malte, was er erlebt hatte, und so entstand sein weltberühmter Zyklus Visionen aus dem Inferno. Interessenten können sie im Rahmen der ständigen Ausstellung der Galerie Art Forum auf dem Wiener Judenplatz sehen, vor ein paar Jahren war es möglich, sie zum ersten Mal auch in Bratislava, zu sehen.

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Thomas Frankl, der Sohn von Adolf, beim Vortrag auf dem Boden der Bürgervereinigung Pressburger Kipferl im Mai 2015. 

Trotz dessen, dass Adolf Frankl schon vor 34 Jahren gestorben ist, bleibt dank seinem Sohn Thomas, sein Vermächtnis lebendig. In seinem charakteristischen Hut und mit unverwechselbarem Charisma setzt sich Tommy ein, damit sein Vater nicht in Vergessenheit gerät. Es war gerade er, der dafür sorgte, dass sich Bratislava, durch enthüllen der Gedenktafel, Wien angeschlossen hat, wo Frankl eine Gedenktafel an der Fassade von Café Hawelka schon seit 1998 hat. Und so kann auch hier, in seiner Geburtsstadt, permanent sein Vermächtnis präsent sein: „Durch mein Werk hinterlasse ich ein Memento allen Nationen der Welt. Niemand, ohne Unterschied der Religionsbekenntnis, der Rasse, oder der politischen Überzeugung, darf nie mehr Opfer von solchen, und auch ähnlichen, Grausamkeiten werden!“

Ján Vyhnánek

Foto: Braňo Bibel

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